Eine Portraitplastik erstellen

Zuletzt geändert: 28. August 2022
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Im April 2011 habe ich ein Por­trait der etwas ande­ren Art erstellt. Wäh­rend es in der Foto­gra­fie alles eine Sache weni­ger Augen­bli­cke ist, und sich die Kon­zen­tra­ti­on im Sucher auf ein zwei­di­men­sio­na­les Abbild fokus­siert, bekom­men beim model­lie­ren einer Plas­tik ganz ande­re Aspek­te Gewicht. Allei­ne drei Tage hat das erstel­len des Kop­fes aus Ton anhand eines leben­den Modells gedauert. 

Modellieren in Ton

Das Modell sitzt dabei zwi­schen den Teil­neh­mern auf einem Stuhl, der sich wie­der­um auf einem gro­ßen Dreh­tel­ler befin­det. So wird das Modell von Zeit zu Zeit in eine neue Posi­ti­on gedreht. Model­liert wird auf einem so genann­ten Model­lier­ei­sen, das auf einem dreh­ba­ren, und höhen­ver­stell­ba­ren Sta­tiv steht. Schon die Aus­wahl des Eisens ist wich­tig für das Aus­se­hen der spä­te­ren Plas­tik. Die Grö­ße des Sockels, und die Form des Eisens will des­halb genau bedacht sein. An dem Eisen wer­den mit Draht zunächst vier klei­ne Holz­kreu­ze mon­tiert, die schon mal grob die Gren­zen und die Form des Kop­fes bil­den. Sie wer­den spä­ter in die Plas­tik ein­ge­ar­bei­tet, sofern sie nicht stö­ren. Dann greift man sich den ers­ten Klum­pen Ton, ketet ihn bedäch­tig mit den Hän­den, betrach­tet dabei das Model, und ver­sucht die Form des Kop­fes zu erfas­sen. Es gilt genau hin­zu­schau­en. Schließ­lich beginnt man unter häu­fi­gem dre­hen des Sockels den Ton von innen nach außen auf­zu­tra­gen. Dabei wird zunächst sehr grob vor­ge­gan­gen, aber das Model trotz­dem immer im Blick behal­ten, damit sich letzt­lich die Grund­struk­tur des Kop­fes herausbildet. 

Immer wie­der muss man zurück­tre­ten um die Lini­en zu ver­glei­chen, und auch mal Pau­se machen um ein­fach Abstand zu gewin­nen. Die Mög­lich­kei­ten etwas zu ver­schlimm­bes­sern sind unbe­grenzt. Es ist eine Kunst, den rich­ti­gen Moment zu erken­nen wann ein bestimm­ter Aspekt her­aus­ge­ar­bei­tet und “fer­tig” ist. 

Am ers­ten Tag wird ledig­lich die Grob­form fer­tig. Tag zwei bringt viel Detail­ar­beit. Die pas­si­gen For­men, Pro­por­tio­nen und Posi­tio­nen wol­len gefun­den wer­den, Lip­pen, Kinn, Unter­kie­fer, Stirn, Augen­brau­en, Ohren. Die Sicht auf die Dia­go­na­len bringt neue Per­spek­ti­ven, und erschlie­ßen Wan­gen­kno­chen und Augen­par­tie. Am drit­ten Tag beschäf­ti­ge ich mich noch­mals mit den Ohren, die Haa­re ent­ste­hen, und zuletzt wage ich mich an die Augen. Das Gesamt­werk bekommt ne Men­ge Fein­schliff. Alles will zu einem har­mo­ni­schen gan­zen ver­bun­den wer­den. Mit dem Sockel bin ich nicht zufrie­den, und so model­lie­re gegen Abend noch flott einen kom­plet­ten Schul­ter­be­reich, den ich aber wie­der recht groß­zü­gig ein­rei­ße. Was bleibt, ist das sich die Lini­en der Kopf­form im Sockel widerspiegeln. 

Es gibt vie­le Mög­lich­kei­ten den Ton zu model­lie­ren: Drü­cken und ver­schmie­ren mit dem Fin­ger, oder Auf­tra­gen von Plat­ten und Würs­ten aus Ton, die dann geschickt mit dem Rest ver­bun­den wer­den. Alter­na­tiv man trägt flä­chig mehr auf, und arbei­tet die Form dann her­aus. Wich­tig ist, das sich Flä­chen und Kur­ven fin­den (und zu einem har­mo­ni­schen gan­zen ver­bin­den). Es ist immer ein­fa­cher neu­es Mate­ri­al auf­zu­tra­gen, als sich zu über­win­den auch mal groß­flä­chi­ge Mate­ri­al weg­zu­schnei­den oder abzu­scha­ben. Wich­tig ist, nicht die Grund­form zu ver­lie­ren. Zwi­schen­durch wird immer mal wie­der gemes­sen: Der Abstand Augen Nase Kinn, Kopf­en­de oder auch die Linie von Kinn­spit­ze zur Nasen­spit­ze, und zur Stirn. Es ist wich­tig das die­se Pro­por­tio­nen stim­men. Das Gefühl trügt einen von Zeit zu Zeit. So ver­än­dert sich die Skulp­tur immer wie­der, bis man das Gefühl hat (oder ein­fach ent­schei­det) fer­tig zu sein. 

Von Ton zu Gips

Am vier­ten Tag erstel­len wir mit Gips eine Form von dem Ton­kopf. Dabei wird die müh­sam und in lie­be­vol­ler Klein- und Detail­ar­beit erstell­te Ton­plas­tik zer­stört – was sehr weh tut, denn schließ­lich hat man in den ver­gan­ge­nen Tagen eine Bezie­hung zu die­sem Gegen­stand auf­ge­baut. Der Ton wan­dert in den gro­ßen Vor­rats­be­häl­ter wo er dar­auf war­tet wie­der ver­wen­det zu werden. 

Drei Wege füh­ren zu einer Form. Mit einem Zwirns­fa­den, mit klei­nen Ble­chen, oder mit Ton­strei­fen. Bei allen drei Mög­lich­kei­ten geht es um die Trenn­stel­le zwi­schen den bei­den Form­tei­len. Jede der Tech­ni­ken hat ihre vor und Nach­tei­le. Außer­dem muss ent­schie­den wer­den, wo die Trenn­li­nie ent­lang läuft. Auch der Umgang mit dem ver­wen­de­ten Gips will geübt sein. Gips hat ein sehr eigen­wil­li­ges Ver­hal­ten, und er muss sorg­sam ange­setzt und mit viel Gespür ver­ar­bei­tet wer­den. Mit einer geschick­ten Wurf­tech­nik wird der Gips auf dem Ton­kopf plat­ziert. Die Skulp­tur soll­te sich in den Umris­sen der Form wie­der finden. 

Am fünf­ten Tag haben wir die Form mit Gips aus­ge­gos­sen, und so einen Gips­kopf erhal­ten. Damit sich die Form kei­ne Feuch­tig­keit aus dem gegos­se­nen Gips zieht – was zu Ris­sen führt, legen wir die Form­hälf­ten so lan­ge in Was­ser ein, bis sie kein Geräusch mehr von ich geben. Dann wer­den die Form­hälf­ten mit Trenn­mit­tel aus­ge­klei­det, und letzt­lich wer­den ihr Schel­len ange­legt, damit die Form­tei­le wäh­rend des Gieß­vor­gan­ges auch zusam­men hal­ten. Dazu die­nen Fahr­rad­schläu­che, Eisen­klam­mern, oder in Gips getränk­te Ban­da­gen. Dann wird aus­rei­chend Gips ange­setzt, mit dem die Form zunächst im unte­ren drit­tel gefüllt, und her­um­ge­schwenkt wird, damit der Gips in Mund, Ohren und Augen fließt. Schließ­lich wird die Form bis oben hin gefüllt. Nach einer ange­mes­se­nen Zeit der Trock­nung wird die Plas­tik aus den Form­hälf­ten gelöst – wobei die Form in der Regel zer­stört wird. 

Letzt­lich wird die Por­trait­plas­tik mit Fei­len und ande­rem Kratz­werk­zeug wei­ter bear­bei­tet, Guß­feh­ler besei­tigt, oder ein­fach wei­ter model­liert. Das ist span­nend, weil man auf ein­mal ein ande­res Mate­ri­al unter den Hän­den hat. 

Damit ist die­ser Teil abge­schlos­sen, und erst mal Pau­se. Erst am 5. März 2012 — nach gut einem Jahr — geht es in dem The­ma weiter: 

Sockel, Schmirgel & Patina

In den letz­ten Wochen hat mei­ne Skulp­tur einen Stän­der ver­passt bekom­men. Die Wahl des Stän­ders ist natür­lich auch von gro­ßer Bedeu­tung, denn er muss zur Skulp­tur pas­sen. Die Grö­ße und Form der Boden­platte, sowie der Durch­mes­ser des Stif­tes wol­len gewählt wer­den. Ent­schei­dend ist auch der Abstand und der Win­kel in dem die Skulp­tur auf dem Sockel ruht. Am gän­gigs­ten sind Stän­der aus Holz, die aus einer Boden­platte beste­hen und einem Stift, auf dem der Por­trait­kopf sitzt. 

Eine Holz­kon­struk­tion kam für mei­ne Plas­tik aber nicht in Fra­ge. Es soll­te eine aus Metall sein, wenn mög­lich ver­ros­tet und mit unre­gel­mä­ßi­gen Kan­ten. Die Ent­schei­dung fiel eigent­lich als wir einen gro­ßen Nagel in den Sockel ein­gos­sen, den wir in Tan­jas Kram­kiste gefun­den hat­ten. Es hat aber eini­ge Mona­te gedau­ert bis mich eine geeig­nete Plat­te gefun­den hat­te. Sie muss­te noch ein wenig in Form geschnit­ten wer­den, was wegen der Dicke nur mit einem Schneid­bren­ner mög­lich war. In den letz­ten Tagen wur­de dann der Kopf auf die Plat­te geschweißt. 

Scha­ben, Krat­zen, Schmirgeln

Heu­te habe ich nun noch ein­mal 6 Stun­den damit ver­bracht der Skulp­tur den letz­ten Fein­schliff zu ver­pas­sen. Nach­dem ja beim letz­ten mal Mate­rial auf­ge­tra­gen wur­de um Stel­len aus­zu­bes­sern geht es jetzt um das Gegenteil. 

Zunächst habe ich den Sockel auf der Unter­seite etwas abge­schlif­fen, um die Syme­trie zur Boden­platte her­zu­stel­len. Dann bin ich eini­gen unpas­sen­den Stel­len mit gro­bem Schmir­gel­pa­pier zu Lei­be gerückt. Ich woll­te kei­ne glatt­po­lierte Skulp­tur. Die Bear­bei­tungs­spu­ren, Feh­ler und Beschä­di­gun­gen soll­ten sicht­bar blei­ben. Aller­dings soll­te sich irgend­wie ein har­mo­ni­sches Gesamt­bild ein­stel­len. Also habe ich die Stel­len die ich zuletzt mit Gips aus­ge­bes­sert hat­te etwas glatt­ge­schlif­fen, bzw. dafür gesorgt das die Über­gänge nicht mehr all­zu­sehr sicht­bar waren. Lei­der hat­te ich an eini­gen Stel­len zum Aus­bes­sern zu alten Gips ver­wen­det, der nun eine ande­re Far­be und Struk­tur auf­weist, die sich nur schwer mit den angren­zen­den Stel­len ver­bin­den will. Danach habe ich eini­ge Uneben­hei­ten aus­ge­gli­chen die „da nicht hin­ge­hör­ten“, in dem ich eini­ge Stel­len an Nase, Wan­ge, Augen und Hals mit dem Schmir­gel bear­bei­tet habe. 

Letzt­lich habe ich den Haar­an­satz über­ar­bei­tet, weil er wie ange­klebt aus­sah und den Blick zu sehr auf sich zog. Er spie­gelt jetzt den Win­kel der Augen­brauen, und wirft einen weni­ger har­ten Schat­ten. Um eine sau­bere Kan­te hin zu bekom­men habe ich fei­nes Schmir­gel­pa­pier und einen klei­nen Holz­klotz ver­wen­det. Spä­ter dann noch einen Krat­zer mit Zäh­nen zum auf­rau­hen, und einen glat­ten Spach­tel zum abtra­gen. Den lin­ken Bogen am Haar­an­satz hab ich etwas begra­digt, und die Haar­an­satz auf der rech­ten Sei­te ver­brei­tert sich jetzt Rich­tung rech­tes Ohr. 

Das rech­te Ohr hat auch noch eine klei­ne Über­ar­bei­tung erfah­ren, und ver­bin­det jetzt bes­ser mit dem Kopf. Es ist wich­tig sich für die Arbeit Zeit zu neh­men, und die Skulp­tur immer wie­der im Licht zu dre­hen, auch mal zurück zu tre­ten, oder ne Pau­se zu machen. Außer­dem ist es von Vor­teil sehr acht­sam vor­zu­ge­hen und nicht zu viel Mate­rial weg zu nehmen. 

Pati­nie­ren

Zum Abschluss habe ich mei­ne Skul­pur mit einer Pati­na ver­se­hen. Am liebs­ten hät­te ich sie so gelas­sen wie sie ist, aber dann habe ich mich doch nach meh­re­ren Tests für eine rot­braune Pati­na ent­schie­den, da sie zum ros­ti­gen Stahl-Sockel passt. 

Pati­nie­ren ist eine Kunst für sich, bei der in mei­nem Fall Schel­lack Ver­wen­dung fin­det. Außer­dem war das Auf­tra­gen im mitt­ler­weile halb­dunk­len nicht so ein­fach. Der ers­te Ver­such war nicht gelun­gen. Der Auf­trag war sehr unre­gel­mä­ßig, und ich hat­te gan­ze Stel­len ver­ges­sen. Also hab ich behut­sam noch eine Schicht mit kreis­för­mi­gen Pin­sel­stri­chen auf­ge­tra­gen. Das gan­ze muss mit mög­lichst tro­cke­nem Pin­sel erfol­gen, damit es kei­ne unschö­nen Nasen gibt, falls die Pati­na läuft. 

Irgend­wie war ich aber wie­der nicht zufrie­den. Das Gan­ze sah mir dies­mal zu ange­malt aus, und ich moch­te auch den Glanz nicht. Also habe ich alles erst­mal mit Ver­dün­ner ver­wischt, und mit nem Lap­pen rum­ge­schmiert und abge­tra­gen. Aber jetzt sah es noch schlim­mer aus… wie ein zufäl­li­ger Fli­cken­tep­pich. Durch mei­ne Unzu­frie­den­heit mit dem Ergeb­nis kam Tan­ja auf die Idee dem Gan­zen eine grün­blaue Struk­tur zu geben. Also hat sie ein geheim­niss­vol­les Pul­ver mit Ver­dün­ner ange­rührt, das ich dann kunst­voll mit dem Pin­sel auf­ge­tra­gen und ver­teilt habe. Die Far­be lief Rit­zen und Ver­tie­fun­gen, und das gefiel mir. Irgend­wie ist pati­nie­ren wie malen auf einer drei­di­men­sio­na­len Lein­wand. Erha­bene Stel­len wer­den hel­ler gestal­tet, und tie­fer lie­gende Stel­le abge­dun­kelt, um sie zu beto­nen. Mit Hals und Haa­ren war ich nun zufrie­den. Das Gesicht sah aller­dings ziem­lich grün ange­malt aus. Also hab ich die Fär­bung abge­wischt, und dabei in die fei­nen Rit­zen ein­mas­siert. Dann hab ich noch­mal Pati­na auf­ge­tra­gen und vor­sich­tig mit „Nul­ler“, einem klei­nen Pin­sel und einem Lap­pen wie­der gezielt abge­tra­gen und ver­wischt, bis die Über­gänge zu Hals und Haa­ren har­mo­nisch aus­sa­hen. Fertig 

Das Finale — Ausstellung 2012

Am Sonn­tag den 11. März ab 14 Uhr war die gro­ße Abschluss­ver­an­stal­tung im Künst­ler­haus Tan­ja Leh­mann. Es waren ziem­lich vie­le Leu­te da, es gab ein paar schö­ne Reden und Geschich­ten, ein klas­se Buf­fet, eine Dia­show und so vie­le net­te Leu­te zum unter­hal­ten das ich gar kei­ne Zeit hat­te Fotos zu machen. 

Naja, ein paar habe ich dann doch gemacht. Tan­ja hat­te mich gegen Ende der Aus­stel­lung gebe­ten von jedem der 24 aus­ge­stell­ten Expo­nate eine Auf­nahme anzu­fer­ti­gen, bevor die Skulp­tu­ren in alle Win­de ver­streut wer­den. Die­sem Wunsch bin ich ger­ne nach­ge­kom­men, und so könnt ihr hier einen Teil der Por­traits bewundern. 

Zum Abschluss noch mal mei­ne Plas­tik, weil das Licht so schön war: 

Die­ser Arti­kel wur­de erst­mals 2011 auf mei­nem blog glimpse-of-life.de veröffentlicht. 

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