Formen im WingTsun

Zuletzt geändert: 25. Oktober 2020
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Tech­ni­ker­ar­beit zur Prü­fung auf den 2. Tech­ni­ker­grad, Leung Ting Wing­Ts­un, Cars­ten Nich­te — Ber­gisch Glad­bach, den 14. April 2009. 

Einleitung

Die Auf­ga­be lau­tet wenigs­tens 5 Sei­ten über eine der ers­ten drei For­men des Wing­Ts­un zu schrei­ben. Über jede der drei For­men gibt es mit Sicher­heit wesent­lich mehr als 5 Sei­ten zu schrei­ben. Sigung Leung Ting selbst hat ein gan­zes höchst bemer­kens­wer­tes Buch allei­ne über die ers­te Form geschrie­ben. Ich den­ke nicht, das aus­ge­rech­net ich noch etwas neu­es zu die­sem The­ma betra­gen kann. 

Ich möch­te auch nicht zu sehr in die Details der Aus­füh­rung gehen, denn For­men sind etwas das man am bes­ten tut, und fühlt und was von einem Leh­rer kor­ri­giert wer­den muss. Was ich machen kann, ist mein augen­blick­li­ches Wis­sen und Ver­ständ­nis grob zusam­men­zu­fas­sen, und mit ein paar „Fak­ten“ aus ver­schie­de­nen Quel­len zu wür­zen, und hof­fen das das ent­stan­de­ne Ergeb­nis mun­det, oder unterhält. 

Was ich über die Bedeu­tung der For­men für mich sagen kann? Das ich nie fer­tig mit ihnen bin. Es gibt immer neue Aspek­te, und Ein­bli­cke, die eine neue Idee lie­fern, und damit den doch eigent­lich immer glei­chen Ablauf zu etwas ganz neu­em machen. Ganz deut­lich mer­ke ich das an der 2. Form. 

Als ers­tes ste­he ich also jetzt vor der Auf­ga­be mich für eine der drei For­men zu ent­schei­den. Schrei­be ich über die Form, die ich am längs­ten übe? Das wäre die Siu-Nim-Tao. Oder über die Form, die ich gera­de anfan­ge zu ler­nen, die Biu-Djie? Oder die Form, die mich bis­her am meis­ten fas­zi­niert, die Cham-Kiu? Oder über die­je­ni­ge Form über die ich die meis­ten Kennt­nis­se ver­fü­ge? Das wäre der ein­fachs­te Weg. Wie wäre es, wenn ich über die Form schrei­be, über die ich die wenigs­ten Kennt­nis­se habe? So könn­te ich mei­nen Hori­zont am meis­ten erwei­tern. Was mich auch mal inter­es­sie­ren wür­de… wie spie­len die For­men inner­halb des Wing­Ts­un Sys­tems zusam­men? Was sind die Unter­schie­de? Gibt es Gemein­sam­kei­ten? War­um macht man über­haupt For­men? Ich schrei­be ein­fach mal drauf los. 

Über die Bedeutung von Formen im Allgemeinen

Kampf­kunst wur­de in den ver­schie­de­nen Län­dern tra­di­tio­nell münd­lich und durch prak­ti­sche Anlei­tung, oft­mals im Gehei­men, und auch oft inner­halb von Fami­li­en wei­ter gege­ben. Statt schrift­li­cher Auf­zeich­nun­gen ent­wi­ckel­te jeder Meis­ter sei­ne per­sön­li­chen For­men, wel­che die Essen­zen sei­ner Leh­re in kom­pri­mier­ter Form dar­stell­ten. Die­se wur­den an die Schü­ler wei­ter gege­ben, und die­se gaben sie dann spä­ter an die ihre Schü­ler wei­ter, und so fort. So ent­stan­den mit der Zeit ver­schie­de­ne Kampf­kunst­schu­len und Stilrichtungen. 

Ein ande­rer Grund mag gewe­sen sein, das es vie­le gefähr­li­che und töd­li­che Tech­ni­ken gab, und es zu gefähr­lich war die­se mit einem Part­ner zu üben. Man mag aus Angst oder Respekt auf das For­men üben zurück­ge­grif­fen haben. Denn bei erns­ten Ver­let­zun­gen oder gar dem Tod hät­te es zu Rache­ak­ten der betrof­fe­nen Fami­li­en kom­men kön­nen (Korea), oder aber man woll­te ein­fach aus Respekt, oder reli­giö­ser Über­zeu­gung sei­nen Part­ner nicht Gefahr lau­fen las­sen schwer ver­letzt zu wer­den (Chi­na, Buddhismus). 

For­men sind also fest­ge­leg­te Abfol­gen von Hand‑, und/oder Fuß­tech­ni­ken und Schritt­ar­beit, die einen Kampf gegen einen ima­gi­nä­ren Geg­ner glei­chen, bei man­chen For­men scheint es als kämp­fe der Aus­füh­ren­de gegen sei­nen eige­nen Schat­ten. Beim aus­üben einer Form kon­zen­triert sich der Schü­ler auf sich, sei­ne eige­nen Bewe­gun­gen und sei­nen Kör­per. Im Ide­al­fall bedeu­tet es auch kör­per­be­zo­gen zu medi­tie­ren. Sein Bewusst­sein im hier und jetzt zu ver­an­kern, ganz im Augen­blick zu sein, Geist und See­le in har­mo­ni­sche Bewe­gung zu versetzen. 

Formen im WingTsun

Im Wing­Ts­un gibt es ver­schie­de­ne Arten von For­men. Es wird zwi­schen Ein­zel­for­men und Part­ner­for­men, sowie waf­fen­lo­sen und mit Waf­fen, oder auch „an Gerä­ten“ unter­schie­den. Die ers­ten drei For­men sind waf­fen­lo­se Ein­zel­for­men, und ermög­li­chen es dem Schü­ler die grund­le­gen­den Posi­tio­nen, Bewe­gun­gen, Ideen und Kon­zep­te ein­zeln und unge­stört zu erler­nen, und för­dern dar­über hin­aus die Motorik. 

Erst die Vor­stel­lung, dass die Posi­tio­nen und Bewe­gun­gen in den For­men nicht die Grund­ele­men­te des Wing­Ts­un sind, son­dern schon Vor­ge­form­tes und Zusam­men­ge­setz­tes, ermög­licht ein tie­fe­res Verständnis. 

Die ers­te Form, bei der sich nur die Arme bewe­gen dür­fen, ent­spricht einem Wör­ter­buch. Die zwei­te Form und die drit­te Form lie­fern sehr kur­ze Sät­ze („Ach so!“, „Mahl­zeit!“, „Hil­fe!“)

wing­ts­un­welt

Die For­men die­nen auch der Vor­be­rei­tung der Mus­ku­la­tur und des Bän­der­ap­pa­ra­tes, in dem sie zur Deh­nung und Kräf­ti­gung beitragen. 

Kuen Kuits – Mottos, Konzepte und Prinzipien

WT besteht aus Mot­tos und Kon­zep­ten. Eini­ge Beispiele: 

  • Die vier Kraftsätze
    • Ist der Weg frei, sto­ße vor.
    • Wenn der Weg nicht frei ist, blei­be kle­ben.
    • Ist die Kraft des Geg­ners grö­ßer, gib nach.
    • Zieht der Geg­ner sich zurück, fol­ge ihm.
  • Vier Wege der Kraft – Kraftprinzipien
    • Mach dich frei von dei­ner eige­nen Kraft.
    • Mach dich frei von der Kraft dei­nes Geg­ners.
    • Ver­wen­de die Kraft des Geg­ners gegen ihn selbst.
    • Füge zu der Kraft des Geg­ners dei­ne eige­ne hin­zu.
  • Nase-Nase Prin­zip
  • Schwe­re Ellenbogen 
  • Die wie­der­ge­bo­re­ne Kraft
  • Pflü­cke die Frucht, oder der rei­ßen­de Zwirnfaden
  • Das Zonen Prinzip

Positionen, Bewegung, Verformung

Bong-Sao, Tan-Sao, Pak-Sao zum Bei­spiel beschrei­ben in der ers­ten Form Posi­tio­nen – und es ist wich­tig für den Anfän­ger die­se zuerst zu üben. Zum Bei­spiel die Posi­ti­on der (schwe­ren) Ellen­bo­gen im 1. Satz der Siu-Nim-Tao. Der Anfän­ger übt die­se Posi­tio­nen und Bewe­gun­gen zunächst als Tech­ni­ken anhand von ein­fa­chen Anwen­dun­gen. Tech­ni­ken, Anwen­dun­gen und Kom­bi­na­tio­nen sind aber nur als Bei­spie­le zu sehen, an denen der Schü­ler die Kon­zep­te und Mot­tos lernt. 

Aber eigent­lich sind es kei­ne Posi­tio­nen, und auch im Grund­satz teils kei­ne akti­ven Bewe­gun­gen – son­dern pas­si­ve, unge­plan­te, unbe­wuss­te Ver­for­mun­gen, die durch (star­ke) äuße­re Ein­füs­se ver­ur­sacht wer­den. Sie sind kein Selbst­zweck, son­dern die­nen zum Über­gang oder der Über­lei­tung in einen Angriff. Sie ent­ste­hen im Augen­blick, durch die unmit­tel­ba­re Inter­ak­ti­on mit dem Geg­ner, wer­den durch ihn aus­ge­löst und ver­än­dert. Sie hal­ten den Angrei­fer nicht auf, sie beglei­ten ihn viel­mehr in sei­nem Tun, wie­gen ihn im Dunk­len, über unse­re eige­nen Absich­ten, und lösen sich Augen­bli­cke spä­ter auf, in ande­re Bewe­gun­gen. Sie lie­fern dem Schü­ler Infor­ma­tio­nen, damit er instink­tiv die Lücken erspürt, und unmit­tel­bar für einen Gegen­an­griff nutzt. Sie sind so aus­ge­legt, das die Kraft des Angrei­fers weich auf­ge­nom­men, gespei­chert wird wie in einer zusam­men gedrück­ten Feder, oder einem gebo­ge­nen Grashalm… 

Fazit

Wir haben eben die drei wich­tigs­ten Säu­len des Wing­Ts­un ken­nen gelernt. 

Jetzt könn­te man auf die Idee kom­men, alle Prin­zi­pi­en aus­wen­dig zu ler­nen. Es macht aber kei­nen Sinn, die­se nur aus­wen­dig zu ler­nen. Sie müs­sen anhand aus­ge­such­ter, prak­ti­scher Bei­spie­le geübt, und ver­in­ner­licht werden. 

Wer die Kon­zep­te allei­ne erlernt dringt genau so wenig zum Kern des WT vor wie jemand der nur For­men lernt, oder sich auf Tech­nik­kom­bi­na­tio­nen / Anwen­dun­gen beschränkt. Die Form ist nichts ohne die Anwen­dun­gen, und im Fal­le der Biu-Djie, der Vor­übun­gen.… Die Kon­zep­te sind nichts, ohne die For­men und die Anwendungen. 

Um Wing­Ts­un zum Leben zu erwe­cken müs­sen alle drei Säu­len geübt, und mit­ein­an­der ver­knüpft wer­den. Jede die­ser Säu­len stellt ein Hilfs­mit­tel auf dem Weg zum Wing­Ts­un dar. 

Ziel der WT Aus­bil­dung ist es die­se Bewe­gun­gen durch die Prin­zi­pi­en ent­ste­hen zu las­sen. Dazu wird aber ein (bes­ser meh­re­re) Trai­nigs­part­ner, und ein Sifu benö­tigt, der sie zum Leben erweckt Und am Ende kann man all die Din­ge wie­der ver­ges­sen, sich von allen Vehi­keln und Krü­cken befrei­en. WT ver­schwin­det aus dem Bewusst­sein und macht Platz für ande­re Din­ge. Es ist ein Teil von einem, exis­tiert fort­an im Unter­be­wusst­sein, und ist im Kör­per gleich­sam ein­pro­gram­miert. Alle Reak­tio­nen sind frei und instink­tiv abrufbar. 

Was macht WT mit dem Kör­per? WT ver­än­dert das Kör­per­ge­fühl mit der Zeit voll­stän­dig. Es stei­gert die Beweg­lich­keit (WT lebt von der Schritt­ar­beit!!!). Man wird geschmei­di­ger, und „fle­xi­bler“, die Moto­rik und das Kör­per­ge­fühl wird fei­ner. Die Kunst ist das Wei­che mit dem Har­ten zu ver­bin­den. Klingt eigent­lich unver­ein­bar, aber das macht für mich einen Teil der Fas­zi­na­ti­on aus. WT geht sehr effi­zi­ent und öko­no­misch mit den eige­nen Kräf­ten um. 

Zahlenmystik

Wenn man sich mit den For­men beschäf­tigt, kommt man nicht umhin sich mit dem Hang der Chi­ne­sen zu der in vie­len Kul­tu­ren vor­kom­men­den Zah­len­mys­tik1 zu befas­sen. Schon dem Anfän­ger fällt auf, das er bestimm­te Sät­ze drei mal wie­der­ho­len muss, und er fragt sich war­um die Form aus­ge­rech­net aus 8 Sät­zen besteht. 

Die­se Begeis­te­rung der Chi­ne­sen für Zah­len liegt in ihrer Spra­che begrün­det. Sie ver­fügt über 400 Sil­ben, die in vier ver­schie­de­nen Tönen aus­ge­spro­chen wer­den. Vie­le Sil­ben haben meh­re­re Bedeu­tun­gen, so auch Zah­len. Die Zahl 8 lau­tet im Hoch­chi­ne­si­schen „ba“, was im kan­to­ne­si­schen Dia­lekt „fa“ aus­ge­spro­chen wird, und das klingt so ähn­lich wie „Glück“, was für eine posi­ti­ve Zukunft steht. Die Zahl 4 bil­det das Gegen­stück zur 8, und wird „si“ aus­ge­spro­chen, was so ähn­lich klingt wie das Wort für „Tod“, oder „Sterben“,und ist somit eine Unglückszahl. 

Die Zahl drei nimmt bei den Chi­ne­sen eine beson­de­re Rol­le ein. Die­se Zahl steht für die drei gro­ßen Leh­ren: Kon­fu­zia­nis­mus, Dao­is­mus und Bud­dhis­mus. Im Kon­fu­zia­nis­mus steht sie auch für das Lehr­buch San Zi2 Jing, das aus Sät­zen mit jeweils drei Zei­chen besteht. Eine wei­te­re sym­bo­li­sche Bedeu­tung hat die 3 mit der Tria­de von Him­mel, Erde und Mensch. 

Im Wing­Ts­un wird somit die Bedeu­tung einer Tech­nik her­vor­ge­ho­ben. Beson­ders wich­ti­ge Bewe­gun­gen wer­den drei­mal gemacht. So auch in der Cham-Kiu, zum Bei­spiel nach dem ers­ten Tritt, Bong-Sao + Gekreuz­ter Tan-Sao: Ein­mal nach dem Tritt, ein zwei­tes mal allei­ne, und ein drit­tes mal vor einer ande­ren Technik. 

1Zah­len­mys­tik bedeu­tet zu Glau­ben, dass den Zah­len eine bestimm­te magi­sche Bedeu­tung inne wohnt. In frü­he­ren Epo­chen hat­te sie den Sta­tus einer Geis­tes-Wis­sen­schaft, und ließ sich zum Teil der Alche­mie zuord­nen. Heu­te wird sie meist als Aber­glau­be abgetan. 

2Die­ses im 13. Jahr­hun­dert ver­fass­te, und heu­te noch in Schu­len benutz­te Buch ver­bin­det das lesen ler­nen mit der Ein­füh­rung in die kon­fu­zia­ni­sche Philosophie. 

1. Form: Siu-Nim-Tao

Die Siu-Nim-Tao, „eine Klei­ne Idee Form“, ist die ers­te Form, die der Schü­ler lernt. 

Mir ihr wer­den die grund­le­gends­ten Arm­tech­ni­ken iso­liert für sich oder in ein­fa­chen Kom­bi­na­tio­nen geübt. Bein­tech­nik kommt in Form des sta­bi­len Stan­des (IRAS) vor, dar­über hin­aus gibt es kei­ne Schrittarbeit. 

Wich­ti­ge Aspek­te die­ser Form sind unter ande­rem die Hal­tung, die Posi­ti­on der Ellen­bo­gen, das Ver­hält­nis von Span­nung und Ent­span­nung, sowie die Atmung. 

Es gibt meh­re­re Mög­lich­kei­ten die Form zu üben. Zum Bei­spiel auf einem Bein, oder einen aus­ge­such­ten Satz in einer Schlei­fe wie­der­ho­len. Sie kann lang­sam, dyna­misch, durch­ge­führt wer­den, oder mit einem ste­ti­gen Wech­sel zwi­schen lang­sa­mer und dyna­mi­scher Bewe­gungs­aus­füh­rung. Wich­tig ist mir bei der Durch­füh­rung der Form das „im Moment“ sein, sich jeder Bewe­gung bewusst zu sein. 

Bei Anfän­gern beob­ach­te ich ganz oft, das sie durch den 2. Satz (Faust­stoß) fast umge­wor­fen wer­den. Hier kommt der Schü­ler das ers­te mal mit dem Mot­to „Löse dich von dei­ner eige­nen Kraft“ in Berüh­rung. Dar­über hin­aus lernt der die Zen­tral­li­nie und die Mit­tel­li­nie kennen. 

Inter­es­sant ist, das der Leh­rer einen vor­sich­tig stei­gen­den Druck an bestimm­ten Stel­len auf­bau­en kann. Im ers­ten Satz, wenn bei­de Arme gekreuzt sind, von vor­ne. Der Schü­ler soll den Druck mit dem Stand auf­neh­men, in dem er den Schwer­punkt absen­ken. Oder er drückt den Ellen­bo­gen von unten nach oben (schwe­re Ellen­bo­gen.), oder er drückt seit­lich an der Schul­ter. Dabei geht es dar­um zu erspü­ren, wohin der Druck geht. Anwen­dun­gen: Stand­kampf. Mot­to: Ich grei­fe an. 

2. Form: Cham-Kiu

Cham-Kiu bedeu­tet „Suchen­de Arme“, oder auch „eine Brü­cke bau­en“. Die­se zwei­te waf­fen­lo­se Form erwei­tert die moto­ri­schen Grund­la­gen der ers­ten Form. Es wird das Zusam­men­spiel bei­der Arme, mit Bein­tech­ni­ken und Schritt­ar­beit geübt. 

Nach dem erler­nen des gro­ben Ablaufs wird die Auf­merk­sam­keit des Schü­lers auf die Rota­ti­on (rechts und links ist mit­ein­an­der ver­bun­den – zB. Faust­stoß) und das Kör­per­ge­wicht gelegt. Die Cham-Kiu kom­bi­niert die­se Prin­zi­pi­en, und ist dadurch sehr dyna­misch. „Hin­ten“ spielt dabei eine gro­ße Rol­le, die Ener­gie kommt aus dem Rumpf. Das Bewusst­sein wird auch mehr auf die Ellenbogen/Oberarm gelenkt. Der Schü­ler soll „stach­li­ger“ wer­den. Die Arme suchen… es wird gelehrt Brü­cken zu schlagen. 

Jeder Schritt ent­hält auch einen Kick/Kniestoß, und umge­kehrt — jeder Kick einen Schritt. Bei der Schritt­ar­beit wird mit den Knien „gedacht“, und nicht mit den Füßen, so wie bei den Armen das Bewusst­sein bei den Ellen­bo­gen, und nicht „vor­ne“ bei der Faust ist. 

Für die Anwen­dun­gen lau­tet das Mot­to: Ich erschre­cke mich. Ich grei­fe nicht an, son­dern „öff­ne zunächst die Türe“ lass den Angrei­fer vor­bei, behin­de­re ihn nicht, son­dern beglei­te ihn viel­mehr bei sei­ner Bewe­gung, und star­te dann mei­nen Gegen­an­griff. Anwen­dun­gen: Der Geg­ner kommt zu mir, ich wer­de überrascht. 

Wenn man eine Bewe­gung drei mal aus­führt, dann ist die ers­te Bewe­gung mit der davor ver­bun­den. Die zwei­te Bewe­gung steht für sich selbst, und die drit­te ist mit der fol­gen­den ver­bun­den. Dadurch ergibt sich eine ganz Ande­re Idee, als wenn alle drei, an sich iden­ti­schen Bewe­gun­gen iso­liert für sich gese­hen wer­den. Die Form arbei­tet schräg, in den Boden. Der Angriff wird hin­ter mich, in Rich­tung Boden geleitet… 

3. Form: Biu-Djie

Die Biu-Djie Form („Sto­ßen­de Fin­ger“) wird bis­wei­len auch als Not­fall-Form bezeich­net. Es wer­den Bewe­gun­gen und Ver­hal­tens­wei­sen erlernt, um aus ungüns­ti­gen Kampf­po­si­tio­nen in aus­sichts­rei­che zurück­zu­ge­lan­gen. Sie ver­bin­det die Moto­rik der ers­ten Form, mit der Kine­tik der Zwei­ten und der Energe­tik der Holzpuppe. 

Die Waf­fen wer­den wei­ter geschärft. Die Unter­ar­me wer­den zu Mes­sern. Du greifst an, und war­test nicht bis du ange­grif­fen wirst. Es kommt noch mehr Bewe­gung ins Spiel (Hüf­te). Dabei ist die Form sel­ber gar nicht so aus­schlag­ge­bend, son­dern die Vor­übun­gen und Anwen­dun­gen, wel­che die Form zum Leben erwecken. 

Anwen­dun­gen: Ich grei­fe an. 

Die­se Form bleibt „im Haus“. Das bedeu­tet, sie wird nicht nach außen getra­gen, und Frem­den gezeigt. Der Meis­ter zeigt sie nur beson­ders zuver­läs­si­gen, ver­trau­ens­wür­di­gen Schülern. 

Das Kon­zept „die Arme sind ver­kop­pelt“, bzw. die Energie/Kraft kommt von „hin­ten“ aus dem Rumpf, spielt in der 2. Form eine Rol­le, wird einem aber erst in der 3. Form bewusst gemacht, bzw. ins Zen­trum der Betrach­tung gerückt. Beispiele: 

  • Ellen­bo­gen­stö­ße … der eine zieht den ande­ren mit, und löst die Wen­dung aus.
  • 2. Form Upper­cut (rechts) … der lin­ke Sao Chong ist federführend.
  • 2. Form … Dreh­kick… auch hier löst der Ellen­bo­gen­stoß nach hin­ten die Wen­dung aus. 
  • Faust­stoß: Der Zurück­zie­hen­de bil­det das Gegen­ge­wicht zum nach vor­ne schnel­len­den Stoß 
  • 3. Form… 1. Satz, 2. Satz… vor­letz­ter Satz…

Nachwort

For­men sind eine tol­le Sache, ermög­li­chen sie es doch sich mit WT zu aktiv zu beschäf­ti­gen, auch wenn mal kein Trai­nings­part­ner greif­bar ist. 

Jetzt hab ich mich ver­sucht extrem kurz zu fas­sen, und es sind den­noch 13 Sei­ten gewor­den. Eini­ge Din­ge habe ich nur ange­deu­tet, und hof­fe das der fach­kun­di­ge Leser sie sinn­voll ein­ord­nen kann. Es gibt noch viel zu schrei­ben, zum Bei­spiel über Schritt­ar­beit, die auch in einer Art Form, oder bes­ser Schritt­kom­bi­na­ti­on iso­liert geübt wer­den kann, Kuen To — die klei­ne und gro­ße Box­form, die Part­ner­form Lat Sao, Nuk Sao, Chi Sao, sowie die Holz­pup­pen­form, Mes­ser­form, Lang­stock­form. Aber es gibt ja auch noch eini­ge Tech­ni­ker­ar­bei­ten zu schrei­ben. Ich freu mich drauf. 

Weiterführende Literatur, Quellen

Zahlenmystik

Formen

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