Der Corona Effekt

Zuletzt aktualisiert am 2. April 2024 4 Minuten

Da ist sie nun, unsere gesellschaftliche Stunde null. Keine spektakuläre, gigantische Klimakatastrophe, kein Meteoriteneinschlag, sondern ein kleines, stilles, fieses Virus namens Coronaexternal link , das der Lunge zusetzt und Covid-19 verursacht. Es schleicht sich ein, entfaltet sich zur Pandemie, zwingt unsere Systeme in die Knie, und hat eine ausgewachsene Wirtschaftskrise im Schlepptau. Es drängt uns allen plötzlich lästige, unbequeme Handlungsweisen auf, die uns so gar nicht in unsere alltäglichen Gewohnheiten passen: Sich einschränken, zu Hause bleiben, Rücksicht nehmen, Verzicht üben.

Was jetzt passiert, entspricht nicht den Klischees, die wir aus all den dystopischen Serien und Filmen kennen. Statt Zombie-Apokalypse und heldenhaftem Drama, gibt es Klopapiermangel (sowas wie #Klopapiergate auf Twitter kann man sich echt nicht ausdenken), Heimarbeit, und sogar die eine oder andere Corona Virus Party — Sterben tun ja nur die anderen. 

Das Virus legt die Schwächen unserer Lebensweise drastischer bloß, als es die vergleichsweise behäbige Klimakrise vermag. Alles ist dem Kapital untergeordnet, so einiges beruht auf Ausbeutung. Betriebsgewinn geht vor Gesundheit, und so weiter. Nicht wenige Menschen feiern ihre Ignoranz, und ihren Egoismus. Mit Lügen, sachzwangreduzierten Ehrlichkeiten, Beschwichtigungen und Marketing kommt man auf einmal nicht mehr weiter. Aus abstrakten Konsumenten, Human Ressources und Kostenfaktoren werden auf einmal Menschen. Das Virus zwingt auch das Führungspersonal Farbe zu bekennen. Wahrheit und Fakten, entlarven Fakenews. Lügen bekommen wieder kurze Beine in diesen Tagen. In Berufsgruppen wo Unterbezahlung und Überbelastung herrschen, wird auf einmal eine Systemrelevanz festgestellt, was bisher für systemrelevant und wichtig gehalten wurde verliert an Bedeutung. 

Ich höre in den letzten Tagen öfter “Wir befinden uns jetzt im Krieg”… ich halte diese Aussage für komplett falsch — aber halt auch typisch für unser idiotisches Selbstverständnis. Die Natur fordert uns auf, endlich mal auf das zu hören , was sie uns schon die ganze Zeit dezent mit zu teilen versucht: “Lieber Homo sapiens, benutz doch bitte endlich mal dein Hirn, statt es nur auf dem Kopf spazieren zu tragen, und alles um dich herum — und letztlich dich selbst — kaputt zu machen. So wie bisher geht es nicht weiter. Das Ende der Fahnenstange ist in Sicht.” 

Corona führt uns vor Augen, wie fragil all das ist, was wir uns erschaffen haben. Es zeigt uns, welchen Platz wir — als selbst ernannte Krone der Schöpfung — auf diesem Planeten wirklich haben: Wir sind darin eingebettet, und ein Teil davon, nicht weniger aber auch nicht mehr. Es wird Zeit ein zu sehen und zu zu geben: Dieses “Macht euch die Erde untertan”-Ding war ein großer Irrtum, das haben wir falsch verstanden — oder wollten es falsch verstehen. Wir waren arrogant, selbstgefällig, und geil nach Macht und Geld. Sorry du, Welt. Wir lassen das jetzt mal mit Egoismus, Ausbeutung und Zerstörung, und versuchen es mit Vernunft, Nachhaltigkeit, Respekt, Fairness, Bescheidenheit, Solidarität… vielleicht sogar …Weltfrieden? Im Kleinen klappt das ja hier und da schon recht gut. Wir stellen das Wohl aller Menschen, und damit auch das der Umwelt in den Mittelpunkt unseres Handelns. Geld wird wieder Mittel zum Zweck statt Selbstzweck. Globalisierung verstehen wir so, das wir alle zusammenarbeiten um die Probleme dieser Welt endlich mal gemeinsam zu lösen, und alle zu Gewinnern zu machen. Das ist mehr als überfällig, denn schließlich sitzen wir ja alle im selben Boot. Ja, voll kitschig und weltfremd, aber schön wärs schon wenns langsam wenigstens irgendwie grob in die Richtung gehen würde. 

Die Natur zwingt uns gerade Farbe zu bekennen, und ehrlich hin zu gucken, was war gut, und was darf/muß geändert werden. Wird ein Umdenken und Umlenken einsetzen? Werden wir die Chance nutzen, und unsere Lebensweise, und unseren Umgang mit der uns umgebenden Welt endlich mal überdenken und neu justieren? Ich weiß, wir sind hier nicht bei “wünsch dir was” — sondern bei “das ist so, wie es ist”, aber ich hoffe, und wünsche mir das trotzdem — wir sind es den Opfern eigentlich schuldig, und der nächsten Generation sowieso, aber da der Mensch gerne verdrängt, wird es sicher schon bald so weiter gehen wie gehabt, so lange es halt geht. 


Bleibt alle gesund, und passt auf euch auf — Carsten

Zuerst veröffentlicht am 19. März 2020 auf meinem Gedankensplitter Blog, und hier archiviert.