Bildbetrachtung in a Nutshell

Zuletzt aktualisiert am 4. April 2024 13 Minuten

Ich betrachte eine Fotografie oder ein Gemälde. Was sehe ich da? Was erzählt mir das? Wie kann ich das analysieren und einordnen? Das ist wird eine Recherche im Rahmen meines Kunststudiums.

  • Unsere Sinne
    1. Tastensinn (haptisch) - Haut
    2. Sehen (visuell) - Augen
    3. Hören (auditiv) - Ohren
    4. Riechen (olfaktorisch) - Nase
    5. Schmecken (gustatorisch) - Zunge
    6. Gleichgewichtsinn (vestibulär**)**
    7. Temperatursinn (Thermorezeption**)**
    8. Tiefensensibilität (Körperempfindung)

Alle Sinne zusammen helfen uns bei der Wahrnehmung. Ein Sinn alleine kann leicht getäuscht werden. Kunstwerke können generell mit allen Sinnen erfasst werden.

Wahrnehmung

  • Das menschliche Auge

    • kann Gegenstände in unterschiedlicher Entfernung scharf sehen.

    • kann sich anpassen an Helligkeitsschwankungen.

    • kann Farben wahrnehmen.

    • kann Augenfehler haben.

    • ist anfällig für optische Täuschungen.

      • Richtungstäuschungen
      • Größentäuschungen
      • Formentäuschungen
      • Kontrasttäuschungen
      • Farbtäuschungen
    • Sehen ist mehr als die optische Abbildung von Gegenständen auf der Netzhaut.

      • Verarbeitung im Gehirn: Erfahrungen und Stimmungen spielen eine Rolle.
      • Verschiedene Personen, können unterschiedliche optische Wahrnehmungen vom selben Gegenstand haben.
    • Die hell-dunkel Stäbchen sind lichtempfindlicher als die farbempfindlichen Zäpfchen -die erst bei mehr Licht ansprechen). Deshalb sehen wir im dunkeln alles eher grau.

  • Farbwahrnehmung

    • Farben sind Lichtwellen
    • Farben sind Empfindungen
      • „Farbe ist nicht in erster Linie ein physikalisches, sondern psychologisches Phänomen" - Josef Albers (1888 – 1976)
    • Komplementärfarben, Körperfarben -> Dazu habe ich einen ganzen Artikel verfasst .
  • Figur-Grund-Beziehung

    • Figur - Positivform. Ein sich vom Hintergrund abhebendes Objekt.
    • Grund - Negativform.
    • Das Gehirn bemüht sich, Formen aus seinem flächigen oder räumlichen Umfeld herauszulösen und zu verstehen.
    • Es gibt mehrdeutige Figur-Grund-Beziehungen (zB. Rubinschen Becherexternal link )
  • Gesetz der guten Gestalt / Gesetz der Prägnanz

    • Gestaltgesetze von Max Wertheimerexternal link (1880 – 1943) und Wolfgang Metzgerexternal link (1899 – 1979)
    • Das Auge des Betrachters fasst Gesehenes zu komplexen Formen zusammen. Prägnante Elemente prägen sich besser ein und teilweise überdeckte Objekte sind in ihrer vollständigen Form vorstellbar.

Gestaltung

  • Bildwahrnehmung

    • Die Wahrnehmung des Menschen sucht erstens nach einer visuellen Ordnung und zweitens nach Raumtiefe.
      • Verbundenes, Nahes oder Ähnliches fassen wir zusammen.
      • Wir versuchen das eigentlich flache Bild als dreidimensionalen Raum zu lesen (von Figur und Grund über Vorder-, Mittel-, Hintergrund bis zu komplexen ineinandergreifenden Raumkonzepten).
      • Raumtiefe kann durch Grössenabstufung, unterschiedliche Anordnung in der Bildhöhe, Überdeckung, etc. entstehen.
  • Formale Gestaltungsprinzipien, Grammatik der Bildsprache

    • Querformat wirkt ruhig, gesetzt, eher passiv, Hochformat aktiver, dynamischer.

    • Symmetrie wirkt ausgewogen, monumental, evtl. langweilig; Der Punkt ist statisch, wie festgemacht. Asymmetrie bewirkt Spannung, deutet auf Bewegung.

    • Waagrechte und Senkrechte bringen Ruhe und wirken flächig. Diagonalen und andere Schrägen wirken dynamischer und können auch auf Raumtiefe verweisen.

    • Regelmässige Anordnungen oder Reihen erzeugen Rythmus und Distanz. Überlagerungen bewirken Dichte, Spannung, Gewicht. Sie wirken tendentiell organischer und lebendiger als eine regelmässige Anordnung.

    • Ein Streben von links unten nach rechts oben wird in der westlichen Welt positiv gedeutet. Der Blick oder die Bewegung nach rechts weist in die Zukunft. Ein Streben von rechts oben nach links unten wird negativ gedeutet. Der Blick oder die Bewegung von Rechts nach links weist in die Vergangenheit.

    • Die optische Mitte liegt über der mathematischen Mitte. Mittig ausgerichtete Bildkompositionen wirken monumental aber auch monoton. Um dies zu verhindern, können prägnante Elemente wie Horizont oder Gesicht zB. in den goldenen Schnitt gesetzt werden. Das wirkt harmonisch, ausgewogen und trotzdem nicht langweilig.

    • Personen oder Dinge können angeschnitten werden.

      • Erweitert den Bildraum über die Bildfläche hinaus.
      • Erleichtert ein “Eintauchen” in die dreidimensionale Welt des Bildes.
    • Der Zwischenraum spielt für die Bildkomposition / Bildordnung eine Rolle.

      • Viele Zwischenräume wirken unruhig
      • Wenige Zwischenräume wirken ruhig.
      • Stichwort Restform!
  • Perspektive

    • Perspektive konstruieren: Punktperspektiveexternal link & Parallelperspektiveexternal link

    • Was erzeugt auf einer zweidimensionalen Fläche einen Raum? Es wirken weiter entfernt

      • Kleinere Elemente
      • Höher gestellte Elemente
      • Überdeckte Elemente
      • Kürzere Linien
      • Feinere Linien
      • Zusammenlaufende Linien
      • Unscharfe Elemente (Sfumatoexternal link )
      • Schlagschatten formt den Raum
      • Eigenschatten formt den Raum
      • Farbperspektive: Kalte, trübe und helle Farben
      • Luftperspektive: schwächere Kontraste
  • Bildimmersion

    • Rezeption

      • Fremdes Gedanken-, Kulturgut aufnehmen, übernehmen.
      • Vorstellung durch eigene Erfahrungen?
    • Immersion

      • Eintauchen in eine eigene Welt.
      • Der Betrachter ist während dessen verletzlich und manipulierbar.
      • Audio und Interaktivität kann das zusätzlich unterstützten.
    • Drei Schichten (Bildräume) der Immersion

      • Materielle Schicht (Elemente: Ölfarbe, Monitorpixel,…)
      • Bildnerische Schicht (Elemente: Punkt, Linie, Fläche,…)
      • Ikonische Schicht (Elemente: Reale oder erfundene)
      • Jede Schicht funktioniert autonom.
      • Alle Elemente zeigen formale Eigenschaften: Farbe, Form und Textur, teils auch Gewicht, Geruch, Temperatur, wenn auch nur ikonisch oder synästhetisch.
      • Die Elemente einer Schicht wirken im Zusammenspiel mit anderen Elementen über die eigene Bildschicht hinaus. Ein Bild entfaltet sich erst dann in seiner vollen Bedeutung..
    • Immersive Dichte

      • Beschreibt die Zusammensetzung und Intensität der verschiedenen Schichten.
      • Man kann einen Schwerpunkt setzen.
      • Der ist abhängig von historischen oder kulturellen Bedingungen, Darstellungsfunktion, Absicht und individuellen Interessen.
  • Die Form

    • Der Punkt

    • Die Linie

      • kennzeichnet Formen, und definieren so Objekte.
      • kann als eigenständiges Element in einem Bild vorkommen.
      • kann als Form für einen bestimmten Gegenstand selbst stehen (zB. einen Pfahl, Speiche, Sonnenstrahl).
      • kann die Umrissform einer Fläche, eines Körpers oder eines Raumes kennzeichnen.
      • Durch den Hell-Dunkel-Kontrast zwischen Objekt und Hintergrund kann eine linienhafte Kontur/Umriss erscheinen.
      • Linienformen
        • gerade, gebogen, gewellt oder geknickt, dünn oder dick, gleich oder ungleich breit, von einer oder beiden Seiten begrenzt, durchgängig oder gestrichelt, unterbrochen, geometrischen oder organischen Ursprungs.
      • Linienwirkung
        • senkrecht (vertikal) = stehend, fest, stabil
        • waagerecht (horizontal) = liegend, ruhig, statisch
        • irgendwie schräg = unruhig, dynamisch, richtungweisend
        • diagonale = aufsteigend, fallend
        • rund, gebogen = aufnehmend, offen bzw. beschützend, geschlossen
        • rechtwinklig = konstruktiv, exakt
        • winklig = technisch, konstruiert
        • organisch, frei = natürlich, lebendig
        • wellenförmig = bewegt, unruhig
        • dünn = zart
        • breit = fest, hart, stabil
        • auslaufend - dünner werdend = lebendig, unruhig
      • Linienfunktion
        • Formen kennzeichnen und so Objekte definieren.
        • Eigenständiges Element in einem Bild.
        • Als Form für einen bestimmten Gegenstand stehen (Sonnenstrahl, Antenne, Speiche,…)
        • Kennzeichnet die Umrissform einer Fläche, eines Körpers oder eines Raumes.
        • Durch Hell-Dunkel-Kontrast zwischen Objekt und Hintergrund kann eine linienhafte Kontur (Umriss) erscheinen.
        • Schraffuren: Viele feine, kurze dicht beieinander stehen Linien - genannt Striche, können die Oberflächenbeschaffenheit eines Körpers oder eine Struktur widerspiegeln.
        • Darstellung von Bewegungen, Richtungen und Geschwindigkeiten.
        • Schmückende, ornamentale Funktion.
    • Flächenformen

      • eckig oder rund.
      • symmetrisch oder asymmetrisch.
      • durch Punkte, Linien oder angrenzende Flächen begrenzt.
      • Nur von Umrissform bestimmt (leer), mit nur einer Farbe gefüllt oder unterschieden durch Strukturen / Muster / etc.
      • Ganzheitliche oder Teilflächen.
      • Geometrisch (konstruiert), organisch (von der Natur abgeleitet) oder frei entwickelt.
    • Geometrische Flächenformen

      • Grundformen (Sekundärform): Kreis (Trapez), Dreieck (Dreirund), Quadrat (Vierrund)
      • Durch Addition und Subtraktion von Primär- und Sekundärformen entstehen weitere komplexe Flächenformen geometrischen Ursprungs.
    • Organische Flächenformen

      • Sind von Pflanzenformen oder Lebewesen abgeleitet.
      • Werden gern für ornamentale Zwecke verwendet und dabei häufig gestalterisch vereinfacht (stilisiert).
      • Charakteristische Merkmale und Gesetzmäßigkeiten der Naturform sollten erhalten bleiben.
  • Körperformen

    • Umfassen drei Dimensionen: Länge, Breite und Höhe.
    • Geometrische Körperformen
      • Würfel, Kegel, Kugel, Zylinder, Pyramide mit dreieckiger oder viereckiger Grundfläche.
      • Primärformen lassen sich zu komplexen Gebilden kombinieren.
    • Organische Körperformen können nicht mit exakten Begriffen definiert werden.
    • Plastische Wirkung
      • durch Hell-Dunkel-Modulation mittels Farbdifferenzierung
      • durch Linien als Umriss oder Strichbündelung.
      • Räumliche Bezüge entstehen durch perspektivische und nichtperspektivische Darstellungsverfahren.
      • Nichtperspektivische Darstellungsverfahren
        • Überdeckung der Körper
        • Größenverhältnisse: groß = vorne, klein = hinten
        • Lageverhältnisse: unten = vorne, oben = hinten
        • Helligkeitsabstufung im Raum
      • Perspektivische Darstellungsverfahren
        • Parallelperspektive
        • Zentralperspektive
  • Untersuchung der Form und ihre Wirkung

    • Quantität

      • Untersucht die Abhängigkeit zu anderen Bezugspunkten in ihren Mengen- und Größenverhältnissen, und als Teil zum Gesamten: groß – klein, viel – wenig, voll – leer, dick – dünn, lang – kurz, etc.
      • An der Größe lässt sich ihre Wichtigkeit ablesen (Bedeutungsmaßstab).
      • Bei unterschiedlichen Mengen von Bildformen wird die Wirkung im Gesamtzusammenhang gewertet.
    • Qualität

      • Versucht die Eigenart der Formen genau zu charakterisieren.
    • Begrenzung / Abgegrenzung

      • Scharfe Abgrenzung: präzise, klar, hart, sauber, grafisch.
      • Diffuse Abgrenzung: verschwommen, weich, bewegt, ungenau, verwaschen, malerisch.
    • Richtungsbezüge

      • Einzelne Linien, Flächen und Körper weisen immer einen Richtungsbezug auf.
      • Richtungen und möglichen Wirkungen auf den Betrachter erklären sich aus der „Linien- & Flächenwirkung“.
    • Oberflächenbeschaffenheit

      • Von den einzelnen Formen ablesbare Oberflächengestaltung, wie Stofflichkeit.
      • Arbeitsspuren des Malers auf dem Bild.

Bildaufbau

  • Grundstrukturen eines Bildes
  • Gliederung des Formats
  • Gerichtetheit von Form- und Bildelementen
  • Bildachsen und Komposition
  • Ordnungsprinzipien des Bildaufbaus
    • Reihung
    • Rhythmus
    • Gruppierung
    • Ballung
    • Streuung
    • Symmetrie
    • Asymmetrie
    • Struktur
    • Raster
    • Schwerpunkt
    • Kontraste
    • Dynamik
    • Statik
    • Proportion und goldener Schnitt

Bildraum

  • Mittel der Raumdarstellung
  • Raum- und Körperdarstellung durch Licht- und Schatten
  • Parallelprojektion
  • Zentralperspektive
  • Farb- und Luftperspektive
  • Mehrdeutige räumliche Illusion

Bildfarbe

  • Was ist Farbe
  • Ästhetische Farbenlehre
  • Goethes Farbenlehre
  • Farbstudien und Farbmischungen
  • Die Dimensionen der Farbe
  • Physische und psychische Wirkung der Farben
  • Symbolik der Farben

Bildspannung

  • Bildspannung durch Kontraste
  • Bildspannung in der Beziehung der Anordnung
  • Einstellungsgrößen (Film)
  • Perspektiven (Film)
  • Einstellungslänge (Video)

Bildform

  • künstlerische Form (KF)
  • Bildformen
  • Gestaltungsmerkmale der KF
    • Extrem hoher Grad der Nachahmung (zB. naturalistische Darstellung)
    • Hoher Grad der Nachahmung (zB. realistische Darstellung)
    • Mittlerer Grad der Nachahmung (zB. impressionistische Malerei)
    • Niedriger Grad der Nachahmung (zB. expressionistische Malerei)
    • Die freie künstlerische Form (zB. abstrakte Malerei)

Gattungen der Malerei

  • Historienbild
  • Porträt
  • Landschaftsmalerei
  • Genremalerei / Sittenbild
  • Stillleben

Bildanalyse, Interpretation, Bildvergleich

Bildanalyse frei nach dem semiotischen Modell


  • Percept - Erster Eindruck, Gefühl, wie wirkt das Kunstwerk auf mich.

    • Spontane, subjektive, emotionale Reaktionen…
    • Was gefällt/ missfällt mir?
    • Was fällt mir besonders auf?
    • Welche Stimmung breitet sich vom Bild ausgehend auf mich aus?
    • Woran denke  ich?
  • Vorstellung des Bildes - Daten und Fakten.

    • Titel des Bildes

    • Datum der Enstehung/ Epoche, ursprüngliche Funktion

    • Name und wichtigste Daten des Künstlers

    • Angabe des Sujetsexternal link (Landschaft, Stilleben, Porträt,…)

    • Format (Hoch- oder Querformat),  Größe

    • Technik, Bildträger

    • Auftraggeber, Früh- oder Spätwerk d. Künstlers

    • Wo befindet sich das Bild? - Standort/Museum

  • Syntaktik - Form des Bildes, sachliche optische Beschreibung des sichtbaren Bestandes.

    • Motiv (was abgebildet ist)

    • Farbe

    • Kontraste

    • Material

    • Technik

    • Licht/ Schatten (Plastizität)

    • Räumlichkeit/ Perspektive

    • Komposition

    • Organisation der Bildfläche (Linien/ Flächen)

      • Gedachte Linien und Bewegungslinien
      • Ausgesprochene Linien: (Linie, Struktur, Kontur,…)
      • Markante Flächen im Bildaufbau
      • Weitere Formgegensätze
      • Bildoberfläche, Malweise
    • Verhältnis von Gestaltbild zu Umweltbild

      • Erscheinungsgetreu
      • reduziert
      • abstrahiert
      • autonom
      • naturalistisch
      • idealistischrealistisch
    • weitere Merkmale der Gestaltungsgesetze (siehe ganz weit oben)

    • Duktus

      • Handschrift des technischen Mittels: Pinsel, Stift, Radiernadel, …
      • Handschrift des Malers/ Zeichners: deutlich, zurückgenommen, vehement, glatt, nervös, …
    • Bis hier hin noch keine Deutung des Bildes!

  • Semantik - Deutung der einzelnen Zeichen.

    • Was sehe ich - Beschreibung der Bildgegenstände

      • Wie stehen die Dinge zueinander. Lassen sich Ordnungen, Gruppierungen,  Beziehungen finden?
      • Geordnete Beschreibung: Gliederung der Bildinhalte in Leserichtung des Bildes, Vorder- Mittel- u. Hintergrund, Haupt- und Nebenszenen.
      • Wertfreie Beschreibung der Bildinhalte. Noch keine Deutung! Art und Menge  der dargestellten Gegenstände und Personen, Mimik, Gestik, Körpersprache, Bekleidung, Requisiten, Architektur, Räume, Landschaften, Landschaftsausschnitte, konkrete oder reduziert/ abstrahierte Formen, …)
    • Verhältnis Bild - Betrachter

      • Aufsicht, Untersicht, Augenhöhe?
      • Erkennt man die Dinge aus Nahsicht oder Fernsicht?
      • Existiert eine Identifikationsbrücke? (zB. Rückenfigur)
      • Nehmen die Bildgestalten Blickkontakt zum Betrachter auf? (Nähe - Distanz)
      • Ist der dargestellte Raum betretbar? Führt ein Weg in die Bildtiefe oder ist der Zugang versperrt?
    • wie deutet man das Gesehene?

  • Semantische Kontextanalyse - Geeignet für komplexe Bilder, für einfache eher nicht.

    • 1. Benenne die Bildelemente
      • Jedes einzelne Bildelement laut benennen  - nicht beschreiben!
      • Was ist darauf zu sehen?
      • Benenne alles, auch Untergrund und Hintergrund.
      • Dadurch benutzen wir das Seh-, Sprach- und Gehörzentrum des Gehirns.
    • 2. Beschreibe die Objekte
      • Beschreibe jedes einzelne Element wie es ist, und wie es wirkt -  in Bezug auf Technik und Gestaltung.
      • Interessant ist hier die Wirkung und Anmutung - das kann „emotional“, gefühlt sein.
      • Vorsichtig sein mit Annahmen wegen Priming - vermeide Schlüsse.
    • 3. Suche das Gegenteil - Drehachse
      • Suche zu jedem Objekt das Gegenteil im Bild. Worin besteht die Drehachse?
      • Es kann durchaus mehrere Drehachsen im Bild geben, manchmal wiederholt sich auch eine oder mehrere Drehachsen mehrfach.
      • Beispiel: Frau <—  Geschlecht —> Mann
      • Das Gegenteil von Frau ist Mann. Die Drehachse ist das Geschlecht.
      • Das ist eher ein Kunstgriff, und nichts was unser Gehirn intuitiv von alleine macht. So arbeitet unser Gehirn nicht. Es gilt aber das unbewusst bzw. Intuitiv und spontan zu sehen, und nicht sich das bewusst und mühsam zu konstruieren.
      • Normal ist man an der Stelle fertig. Falls man die Bedeutung nicht gefunden hat geht es hiermit weiter:
    • 4. Bilde semantische Felder des Gegenteils
      • Was ist das semantische Feld des benannten, beschrieben, und ins Gegenteil verkehrten Objekts?
    • 5. Bilde semantische Felder
      • Zu jedem ersonnenen Begriff das einfachsemantische Feld bilden. Sprich: Begriffe sammeln.
  • Pragmatik - Bildinterpretation, wozu verleitet mich das Bild.

    • Absicht des Künstlers/ Funktion

    • Wer sagt was, zu wem, durch welches Medium, in welcher Absicht, unter welchen Umständen, und mit welcher Wirkung?

    • Ist der Titel des Bildes stimmig und nachvollziehbar?

Interpretation 

Eine Interpretation ist eine Mischung aus subjektiver Bewertung, Beobachtetem und Analysiertem. Das Augenmerk richtet sich auf das ganze Kunstwerk, nicht auf einzelne Aspekte.

  • Einen möglichen Bedeutungsgehalt ergründen.

  • Maßgebliche Elemente des Bedeutungsgehaltes:

    • Das Sujetexternal link

    • Art der Darstellung - dh. der Einsatz der bildnerischen Mittel

      • Auswahl, Anordnung und Abstimmung der Mittel
      • Charakteristisch für eine jeweilige Epoche
      • Individueller Stil des Künstlers
        • Umgang mit Farbe: (lasierend – deckend – pastos usw.)
      • Formale Aspekte: Richtungen (Horizontale, Vertikale, Diagonale, Schrägen),
        • Figuren (Dreieck, Kreis, Quadrat)
        • Flächen ( wenige – viele, kleine – große, regelmäßige – unregelmäßige, begrenzte – diffuse)
        • Farben (reinbunt – getrübt, hell – dunkel, monochrom – chromatisch, valeuristisch, komplementär).
    • Die davon ausgehende Stimmung.

    • Die Bedeutung

      • für den Künstler
      • im historischen Kontext
      • in unserer heutigen Zeit
    • aktuelle, zeitbezogene Interpretation formuliert

      • persönliche Sichtweisen
      • Hypothesen
      • Vermutungen
  • Alles, was über ein Bild gesagt wird, muss am Bild belegt werden.

  • Alles was in der Analyse der bildnerischen Mittel herausgearbeitet wurde, muss komplett & widerspruchsfrei mit dem Bildsinn im Einklang stehen.

  • Alte Kunstwerke werden heute anders empfunden, gesehen und gedeutet.

  • Deutung der Bildsprache

  • Was war das Abbildungsinteresse des Künstlers?

  • Was waren die Interessen der Auftraggeber?

  • Übergreifende Interpretation

    • werktranszendent
    • ikonologische Bedeutung
  • Was kann die Entstehung des Bildes beeinflusst haben?

    • historische, kunsthistorische, stilistische, biographische oder gesellschaftliche Fragestellungen, unter Zuhilfenahme von Bildvergleichen, Werkgruppenuntersuchung, Motivketten, literarischen Quellen etc.)
  • Welche Aussage ergibt sich über die Person des Künstlers, die Umstände seines Schaffens, seine Einstellungen, die historischen Gegebenheiten, die Kunst seiner Zeit, die kunstgeschichtliche sowie geistesgeschichtliche Entwicklung?

  • Abschließende Worte

Bildvergleich

  • Benutzung der oben beschriebenen Vorgehensweise.
  • Unter jedem Punkt beide Bilder auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede hin untersuchen.
  • Das Hauptbild zuerst untersuchen, und hinterher mit dem Vergleichsbild in Beziehung setzen.
  • Überprüfung der wesentlichen Unterschiede bzw. Gemeinsamkeiten.

Bild-Sequenzen

Für Sequenzen von Bildern - quasi als Vorstufe zum Film eignet sich der Bildvergleich nach obigen Muster. Wir bewegen uns damit aber schon an der Grenze zur Filmanalyse.

Filmanalyse

… oder auch eine Analyse multimedialer Installationen. Da kommen alle obigen Elemente zum tragen, und dazu…

Eine formal-inhaltliche Protokollierung des filmischen Ablaufs:

  • Inhaltsbeschreibung
  • Problematisierung und Fragestellung
  • Bestandsaufnahme mit Sequenzbeschreibungen
  • Analyse und Interpretation unter Einbeziehung des
  • historisch-gesellschaftlichen Kontexts
  • Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse

Konzentration auf einzelne Sequenzen. Aufschlüsseln von Elementen der Filmregie wie:

  • Einstellung
  • Kameraperspektive
  • Kamerabewegung
  • Licht
  • Ton
  • Montage

Die drei „Realitätsebenen“ der filmischen Kommunikation, Korte (1993):

  • Produktions-Wirklichkeit

  • Film-Wirklichkeit

    • Vollständige Erfassung und Bewertung aller im Film auffindbaren Informationen.

    • Analyse der Einzelbilder, bzw. der in den Einstellungen gemachten Aussagen, d.h. Bildinhalt, Bildgestaltung und Bild- und Einstellungsinszenierung.

    • Analyse der gesprochenen Dialoge.

    • Analyse der eingesetzten Musik, Töne und Geräusche.

    • Analyse der inhaltlichen Struktur des Films - Plot (Handlungsverlauf), Charaktere, Handlungsorte, Handlungszeit, …

    • Analyse des Schnitts und die damit verbundene Montage der Shots.

    • Analyse des Schauspielens.

  • Rezeptions-Wirklichkeit

    • Verstehen und Wirkung des Films beim Rezipienten: Persönlichkeit, Selbstwahrnehmung, Vorwissen, politische Orientierung, …
    • Welche Faktoren des kulturellen Kontext kommenden zum Tragen
    • Sozialer Kontext des Rezipienten - Welcher Film ist gerade “in”, …
    • Publikumserfolg. Besucherzahlen, Einspielergebnis, …
    • Rezeption zur Entstehungszeit des Films. Zeitgenössische Rezeption, durch professionelle Kritiker und normales Publikum.
    • Aktuelle, heutige Rezeption.

Musikanalyse

  • Wer ist Komponist*in

    • In welcher Zeit lebte er/sie?
    • Gab es prägenden gesellschaftlichen Einfluss?
    • Welche künstlerischen Entwicklungen haben das Stück geprägt?
  • Welcher Stilrichtung (Barock, Romantik, Renaissance,…)?

  • Wie heißt das Musikstück, und warum?

  • Tonumfang (Ambitus)

  • Melodieführung

  • Suche nach bestimmten Motiven

  • musikalische Parameter

    • Artikulation,

    • Lautstärke, …

    • Tonart

    • vorrangiger Takt

    • Tempo

    • Lässt es sich in Abschnitte unterteilen?

    • Gibt es Wiederholungen

    • Auffällige Vor-, Zwischen- oder Nachspiele

  • Für welche Instrumente wurde das Stück geschrieben und warum?

  • Wie ist der Aufbau des Stücks musikalisch umgesetzt worden.

  • Gibt es eine Singstimme?

    • Gibt es einen Text dazu?

    • Textverteilung (melismatisch, syllabisch)

  • Welche Gefühle und Empfindungen verspüre ich beim hören.