Über Wahrheit und Meinung

Zuletzt aktualisiert am 29. Mai 2024 2 Minuten

Momentan gibt es ja diesen Trend den Begriff “Wahrheit” zu kapern, um zu definieren, oder auch zu zerstören. Alternative Faktenexternal link wird das dann unter anderem genannt. Dazu habe ich das folgende Zitat aus dem Jahr 1950 gefunden:

Der wohl hervorstechendste und auch erschreckendste Aspekt der deutschen Realitätsflucht liegt jedoch in der Haltung, mit Tatsachenexternal link so umzugehen, als handele es sich um bloße Meinungenexternal link . […] Auf allen Gebieten gibt es unter dem Vorwand, daß jeder das Recht auf eine eigene Meinung habe, eine Art Gentleman’s Agreement, dem zufolge jeder das Recht auf Unwissenheit besitzt – und dahinter verbirgt sich die stillschweigende Annahme, daß es auf Meinungen nun wirklich nicht ankommt. Dies ist in der Tat ein ernstes Problem, nicht allein, weil Auseinandersetzungen dadurch oftmals so hoffnungslos werden […], sondern vor allem, weil der Durchschnittsdeutsche ganz ernsthaft glaubt, […] dieser nihilistischeexternal link Relativismusexternal link gegenüber Tatsachen sei das Wesen der Demokratie. Tatsächlich handelt es sich dabei natürlich um eine Hinterlassenschaft des Naziregimes. Man hat es hier nicht mit Indoktrinationen zu tun, sondern mit der Unfähigkeit und dem Widerwillen, überhaupt zwischen Tatsache und Meinung zu unterscheiden.“

von Hannah Arendt aus dem Buch “Besuch in Deutschland”

Klar, dieses Phänomen war und ist nicht auf Deutschland beschränkt, trotzdem - oder gerade deswegen - finde ich dieses alte Zitat unglaublich aktuell. Den Hinweis auf den Nationalsozialismus sehe ich heute nicht mehr so gegeben. Dafür ist der zeitliche Abstand zu groß. Das war zu der Zeit als die Aussage gemacht wurde halt anders.