Eine Portraitplastik erstellen
Im April 2011 habe ich ein Portrait der etwas anderen Art erstellt. Während es in der Fotografie alles eine Sache weniger Augenblicke ist, und sich die Konzentration im Sucher auf ein zweidimensionales Abbild fokussiert, bekommen beim modellieren einer Plastik ganz andere Aspekte Gewicht. Alleine drei Tage hat das erstellen des Kopfes aus Ton anhand eines lebenden Modells gedauert.
Modellieren in Ton
Das Modell sitzt dabei zwischen den Teilnehmern auf einem Stuhl, der sich wiederum auf einem großen Drehteller befindet. So wird das Modell von Zeit zu Zeit in eine neue Position gedreht. Modelliert wird auf einem so genannten Modelliereisen, das auf einem drehbaren, und höhenverstellbaren Stativ steht. Schon die Auswahl des Eisens ist wichtig für das Aussehen der späteren Plastik. Die Größe des Sockels, und die Form des Eisens will deshalb genau bedacht sein. An dem Eisen werden mit Draht zunächst vier kleine Holzkreuze montiert, die schon mal grob die Grenzen und die Form des Kopfes bilden. Sie werden später in die Plastik eingearbeitet, sofern sie nicht stören. Dann greift man sich den ersten Klumpen Ton, ketet ihn bedächtig mit den Händen, betrachtet dabei das Model, und versucht die Form des Kopfes zu erfassen. Es gilt genau hinzuschauen. Schließlich beginnt man unter häufigem drehen des Sockels den Ton von innen nach außen aufzutragen. Dabei wird zunächst sehr grob vorgegangen, aber das Model trotzdem immer im Blick behalten, damit sich letztlich die Grundstruktur des Kopfes herausbildet.
Immer wieder muss man zurücktreten um die Linien zu vergleichen, und auch mal Pause machen um einfach Abstand zu gewinnen. Die Möglichkeiten etwas zu verschlimmbessern sind unbegrenzt. Es ist eine Kunst, den richtigen Moment zu erkennen wann ein bestimmter Aspekt herausgearbeitet und “fertig” ist.
Am ersten Tag wird lediglich die Grobform fertig. Tag zwei bringt viel Detailarbeit. Die passigen Formen, Proportionen und Positionen wollen gefunden werden, Lippen, Kinn, Unterkiefer, Stirn, Augenbrauen, Ohren. Die Sicht auf die Diagonalen bringt neue Perspektiven, und erschließen Wangenknochen und Augenpartie. Am dritten Tag beschäftige ich mich nochmals mit den Ohren, die Haare entstehen, und zuletzt wage ich mich an die Augen. Das Gesamtwerk bekommt ne Menge Feinschliff. Alles will zu einem harmonischen ganzen verbunden werden. Mit dem Sockel bin ich nicht zufrieden, und so modelliere gegen Abend noch flott einen kompletten Schulterbereich, den ich aber wieder recht großzügig einreiße. Was bleibt, ist das sich die Linien der Kopfform im Sockel widerspiegeln.
Es gibt viele Möglichkeiten den Ton zu modellieren: Drücken und verschmieren mit dem Finger, oder Auftragen von Platten und Würsten aus Ton, die dann geschickt mit dem Rest verbunden werden. Alternativ man trägt flächig mehr auf, und arbeitet die Form dann heraus. Wichtig ist, das sich Flächen und Kurven finden (und zu einem harmonischen ganzen verbinden). Es ist immer einfacher neues Material aufzutragen, als sich zu überwinden auch mal großflächige Material wegzuschneiden oder abzuschaben. Wichtig ist, nicht die Grundform zu verlieren. Zwischendurch wird immer mal wieder gemessen: Der Abstand Augen Nase Kinn, Kopfende oder auch die Linie von Kinnspitze zur Nasenspitze, und zur Stirn. Es ist wichtig das diese Proportionen stimmen. Das Gefühl trügt einen von Zeit zu Zeit. So verändert sich die Skulptur immer wieder, bis man das Gefühl hat (oder einfach entscheidet) fertig zu sein.
Von Ton zu Gips
Am vierten Tag erstellen wir mit Gips eine Form von dem Tonkopf. Dabei wird die mühsam und in liebevoller Klein- und Detailarbeit erstellte Tonplastik zerstört – was sehr weh tut, denn schließlich hat man in den vergangenen Tagen eine Beziehung zu diesem Gegenstand aufgebaut. Der Ton wandert in den großen Vorratsbehälter wo er darauf wartet wieder verwendet zu werden.
Drei Wege führen zu einer Form. Mit einem Zwirnsfaden, mit kleinen Blechen, oder mit Tonstreifen. Bei allen drei Möglichkeiten geht es um die Trennstelle zwischen den beiden Formteilen. Jede der Techniken hat ihre vor und Nachteile. Außerdem muss entschieden werden, wo die Trennlinie entlang läuft. Auch der Umgang mit dem verwendeten Gips will geübt sein. Gips hat ein sehr eigenwilliges Verhalten, und er muss sorgsam angesetzt und mit viel Gespür verarbeitet werden. Mit einer geschickten Wurftechnik wird der Gips auf dem Tonkopf platziert. Die Skulptur sollte sich in den Umrissen der Form wieder finden.
Am fünften Tag haben wir die Form mit Gips ausgegossen, und so einen Gipskopf erhalten. Damit sich die Form keine Feuchtigkeit aus dem gegossenen Gips zieht – was zu Rissen führt, legen wir die Formhälften so lange in Wasser ein, bis sie kein Geräusch mehr von ich geben. Dann werden die Formhälften mit Trennmittel ausgekleidet, und letztlich werden ihr Schellen angelegt, damit die Formteile während des Gießvorganges auch zusammen halten. Dazu dienen Fahrradschläuche, Eisenklammern, oder in Gips getränkte Bandagen. Dann wird ausreichend Gips angesetzt, mit dem die Form zunächst im unteren drittel gefüllt, und herumgeschwenkt wird, damit der Gips in Mund, Ohren und Augen fließt. Schließlich wird die Form bis oben hin gefüllt. Nach einer angemessenen Zeit der Trocknung wird die Plastik aus den Formhälften gelöst – wobei die Form in der Regel zerstört wird.
Letztlich wird die Portraitplastik mit Feilen und anderem Kratzwerkzeug weiter bearbeitet, Gußfehler beseitigt, oder einfach weiter modelliert. Das ist spannend, weil man auf einmal ein anderes Material unter den Händen hat.
Damit ist dieser Teil abgeschlossen, und erst mal Pause. Erst am 5. März 2012 - nach gut einem Jahr - geht es in dem Thema weiter:
Sockel, Schmirgel & Patina
In den letzten Wochen hat meine Skulptur einen Ständer verpasst bekommen. Die Wahl des Ständers ist natürlich auch von großer Bedeutung, denn er muss zur Skulptur passen. Die Größe und Form der Bodenplatte, sowie der Durchmesser des Stiftes wollen gewählt werden. Entscheidend ist auch der Abstand und der Winkel in dem die Skulptur auf dem Sockel ruht. Am gängigsten sind Ständer aus Holz, die aus einer Bodenplatte bestehen und einem Stift, auf dem der Portraitkopf sitzt.
Eine Holzkonstruktion kam für meine Plastik aber nicht in Frage. Es sollte eine aus Metall sein, wenn möglich verrostet und mit unregelmäßigen Kanten. Die Entscheidung fiel eigentlich als wir einen großen Nagel in den Sockel eingossen, den wir in Tanjas Kramkiste gefunden hatten. Es hat aber einige Monate gedauert bis mich eine geeignete Platte gefunden hatte. Sie musste noch ein wenig in Form geschnitten werden, was wegen der Dicke nur mit einem Schneidbrenner möglich war. In den letzten Tagen wurde dann der Kopf auf die Platte geschweißt.
Schaben, Kratzen, Schmirgeln
Heute habe ich nun noch einmal 6 Stunden damit verbracht der Skulptur den letzten Feinschliff zu verpassen. Nachdem ja beim letzten mal Material aufgetragen wurde um Stellen auszubessern geht es jetzt um das Gegenteil.
Zunächst habe ich den Sockel auf der Unterseite etwas abgeschliffen, um die Symetrie zur Bodenplatte herzustellen. Dann bin ich einigen unpassenden Stellen mit grobem Schmirgelpapier zu Leibe gerückt. Ich wollte keine glattpolierte Skulptur. Die Bearbeitungsspuren, Fehler und Beschädigungen sollten sichtbar bleiben. Allerdings sollte sich irgendwie ein harmonisches Gesamtbild einstellen. Also habe ich die Stellen die ich zuletzt mit Gips ausgebessert hatte etwas glattgeschliffen, bzw. dafür gesorgt das die Übergänge nicht mehr allzusehr sichtbar waren. Leider hatte ich an einigen Stellen zum Ausbessern zu alten Gips verwendet, der nun eine andere Farbe und Struktur aufweist, die sich nur schwer mit den angrenzenden Stellen verbinden will. Danach habe ich einige Unebenheiten ausgeglichen die „da nicht hingehörten“, in dem ich einige Stellen an Nase, Wange, Augen und Hals mit dem Schmirgel bearbeitet habe.
Letztlich habe ich den Haaransatz überarbeitet, weil er wie angeklebt aussah und den Blick zu sehr auf sich zog. Er spiegelt jetzt den Winkel der Augenbrauen, und wirft einen weniger harten Schatten. Um eine saubere Kante hin zu bekommen habe ich feines Schmirgelpapier und einen kleinen Holzklotz verwendet. Später dann noch einen Kratzer mit Zähnen zum aufrauhen, und einen glatten Spachtel zum abtragen. Den linken Bogen am Haaransatz hab ich etwas begradigt, und die Haaransatz auf der rechten Seite verbreitert sich jetzt Richtung rechtes Ohr.
Das rechte Ohr hat auch noch eine kleine Überarbeitung erfahren, und verbindet jetzt besser mit dem Kopf. Es ist wichtig sich für die Arbeit Zeit zu nehmen, und die Skulptur immer wieder im Licht zu drehen, auch mal zurück zu treten, oder ne Pause zu machen. Außerdem ist es von Vorteil sehr achtsam vorzugehen und nicht zu viel Material weg zu nehmen.
Patinieren
Zum Abschluss habe ich meine Skulpur mit einer Patina versehen. Am liebsten hätte ich sie so gelassen wie sie ist, aber dann habe ich mich doch nach mehreren Tests für eine rotbraune Patina entschieden, da sie zum rostigen Stahl-Sockel passt.
Patinieren ist eine Kunst für sich, bei der in meinem Fall Schellack Verwendung findet. Außerdem war das Auftragen im mittlerweile halbdunklen nicht so einfach. Der erste Versuch war nicht gelungen. Der Auftrag war sehr unregelmäßig, und ich hatte ganze Stellen vergessen. Also hab ich behutsam noch eine Schicht mit kreisförmigen Pinselstrichen aufgetragen. Das ganze muss mit möglichst trockenem Pinsel erfolgen, damit es keine unschönen Nasen gibt, falls die Patina läuft.
Irgendwie war ich aber wieder nicht zufrieden. Das Ganze sah mir diesmal zu angemalt aus, und ich mochte auch den Glanz nicht. Also habe ich alles erstmal mit Verdünner verwischt, und mit nem Lappen rumgeschmiert und abgetragen. Aber jetzt sah es noch schlimmer aus… wie ein zufälliger Flickenteppich. Durch meine Unzufriedenheit mit dem Ergebnis kam Tanja auf die Idee dem Ganzen eine grünblaue Struktur zu geben. Also hat sie ein geheimnissvolles Pulver mit Verdünner angerührt, das ich dann kunstvoll mit dem Pinsel aufgetragen und verteilt habe. Die Farbe lief Ritzen und Vertiefungen, und das gefiel mir. Irgendwie ist patinieren wie malen auf einer dreidimensionalen Leinwand. Erhabene Stellen werden heller gestaltet, und tiefer liegende Stelle abgedunkelt, um sie zu betonen. Mit Hals und Haaren war ich nun zufrieden. Das Gesicht sah allerdings ziemlich grün angemalt aus. Also hab ich die Färbung abgewischt, und dabei in die feinen Ritzen einmassiert. Dann hab ich nochmal Patina aufgetragen und vorsichtig mit „Nuller“, einem kleinen Pinsel und einem Lappen wieder gezielt abgetragen und verwischt, bis die Übergänge zu Hals und Haaren harmonisch aussahen. Fertig
Das Finale - Ausstellung 2012
Am Sonntag den 11. März ab 14 Uhr war die große Abschlussveranstaltung im Künstlerhaus Tanja Lehmann. Es waren ziemlich viele Leute da, es gab ein paar schöne Reden und Geschichten, ein klasse Buffet, eine Diashow und so viele nette Leute zum unterhalten das ich gar keine Zeit hatte Fotos zu machen.
Naja, ein paar habe ich dann doch gemacht. Tanja hatte mich gegen Ende der Ausstellung gebeten von jedem der 24 ausgestellten Exponate eine Aufnahme anzufertigen, bevor die Skulpturen in alle Winde verstreut werden. Diesem Wunsch bin ich gerne nachgekommen, und so könnt ihr hier einen Teil der Portraits bewundern.
Zum Abschluss noch mal meine Plastik, weil das Licht so schön war:
Dieser Artikel wurde erstmals 2011 auf meinem blog glimpse-of-life.de veröffentlicht.