Malen und Zeichnen in der Fotografie

31. Januar 2019 in Fotografie, Gedankensplitter, Hinter den Kulissen, Projekte, Skizzenbuch by Carsten Nichte6 Minuten

Malen und Zeichnen in der Fotografie

Die Malerei hatte schon immer auch den Wunsch die Wirklichkeit abzubilden. Sie war neben der Schrift Jahrhunderte gar jahrtausendelang eine beliebte Möglichkeit ein mehr oder weniger realistisches Abbild von sich und der Welt zu hinterlassen. Mit der Erfindung der Fotografie im 18. Jahrhundert schien sich dieser Traum - die Realität ab zu bilden - zu erfüllen. Aber die Fotografie hat die Malerei natürlich nicht abgelöst. Im Gegenteil, sie musste sich den Rang eines künstlerischen Mediums erst hart erarbeiten - dafür steht die Zeit des Piktorialismus. Heute stellt sie unter anderem einfach eine weitere Ausdrucksform neben den anderen Kunstrichtungen zur Verfügung.

Das ist normalerweise der Punkt an dem ein der ein oder andere Fotograf gerne darauf hinweist, das er gerade deshalb fotografiert weil er nicht zeichnen kann. Ich möchte das mal kurz in Frage stellen, und darauf verweisen das wir als Kinder alle recht unbefangen mit dem Thema umgegangen sind. Ich bin der Meinung das jeder Mensch einen eigenen künstlerischen Ausdruck hat, und zeichnen kann. Jeder! …und ich möchte alle Fotografen und Fotografinnen dazu einladen das für sich neu zu entdecken. Es braucht nur Übung und vielleicht einen guten Lehrer, der dich mit auf Entdeckungsreise nimmt. Es gibt auch haufenweise YouTube Videos und Bücher die einen Einstieg ermöglichen. Ich plädiere aber gerne dafür den eigenen Spieltrieb auszuleben.

Kurz nach dem ich in die Fotografie abgetaucht bin, hab ich auch angefangen zu zeichnen. Das war 2011, und es ging zuerst nur  darum vereinzelt Skizzen  für fotografische Themen anzufertigen, die aber durchweg nach “Strichmännchen” aussahen.. Ich konnte nur unzureichend aufzeichnen was mir vorschwebte, und musste es zusätzlich mit viel Text umschreiben. Mit der Zeit und einiger Übung besserte sich das, blieb aber pragmatisch, rudimentär.

  • Bild 1: Verworfene, durchgestrichene Skizze. Kohle auf Packpapier, 2015
  • Bild 2: Digitale Zeichnung 2018

Bei der ganzen Skizziererei hab ich schnell gemerkt, das - wie in der Fotografie - besonders der Mensch interessant für mich ist. Ich hab angefangen Gesichter zu zeichnen, und mache das seit dem sporadisch immer mal wieder. Später erweiterte sich mein Interesse auf den ganzen Menschen, immer wieder auch in Verbindung mit seiner Umgebung. In der Zwischenzeit hatte ich einiges von Michael Gnadeexternal link und Dina Savi lernen dürfen. Trotzdem stieß ich danach immer wieder schnell an meine Grenzen. Nie wollte es so werden wie es mir vorschwebte, und meine Moodboards sind auch eher merkwürdig geblieben. Dafür hab ich das einfach viel zu wenig gemacht. Im Januar 2018 entschloss ich mich spontan meine Fähigkeiten in dem Bereich zu erweitern. Das war so ein  typisches “Gute Vorsätze für das neue Jahr” Ding. Deshalb besuchte ich im Frühjahr ein Trimester bei Alexander Rudy, an der freien Kunstschule in Köln , um die Grundlagen mal solide auf zu arbeiten. Seit dem versuche mich wieder regelmäßiger autodidaktisch weiter zu entwicklen.

Ich bin der Meinung das Zeichnen den Horizont für die Fotografie erweitern kann. Es ist aber weniger die Zeichnung selber die zählt, nicht das Ergebnis, sondern der Weg. Es ist eine andere - noch bewusstere - Art in die Welt zu sehen, und sich mit ihr zu beschäftigen. Wie in der Fotografie spielen Licht, Schatten, Komposition und Zeit dabei eine wesentliche Rolle.

Zeichnen ist langsamer. Langsamer als die digitale Fotografie sowieso, aber auch viel langsamer als die analoge Fotografie, einschließlich Fachkamera, die für mich der Inbegriff für langsame Fotografie ist.

Schon bevor du anfängst zu zeichnen betrachtet du dein Motiv ausgiebig von allen Seiten und suchst eine Perspektive die dich besonders anspricht. Immer wieder schaust du dein Motiv an, studierst es tastest es mit den Augen ab, sezierst es förmlich mit allen Sinnen, und überträgst es so Schritt für Schritt auf das Papier. Im Idealfall schaust du dabei selten auf dein Blatt. Immer wieder hälst du inne, gehst auf Abstand, achtest auf das große Ganze, und arbeitest dich bis in die Details vor. Das schärft den Blick und die Wahrnehmung für die Umwelt. Du lässt dir gern Stunden, Tage, Wochen oder sogar Monate Zeit bis das Bild fertig ist. Es macht Spaß Licht und Schatten zu studieren, oder Farben, Strukturen und Perspektiven, in unserer Umgebung, aber auch in den Werken der alten und neuen Meister. Für mich passt das sehr gut zur Fotografie, alles wird aus einem etwas anderen Winkel betrachtet. Da ich ungeduldig bin, probiere ich mich an schnellen, groben Skizzen. Ich finde hier auch den Minimalismus spannend… wie wenig brauche ich um eine Aussage zu machen. Wie viel darf ich weglassen bis alles übrig bleibt? Wann ist ein Bild in sich stimmig?

Form und Plastizität entsteht an den Übergängen von Licht und Schatten. Du achtest auch auf Reflektionen und Aufhellungen durch den umgebenden Raum, um ein realistisches bzw. einigermaßen glaubwürdiges Abbild zu erhalten. Je nach Ziel und künstlerischem Ansatz  ist eine Übersetzung, oder sogar eine Abstraktion enthalten und gern gesehen. Du kannst aber auch mit Linien arbeiten, dich in Details verlieren oder mit wenigen groben Strichen alles sagen.  Im Grunde bist Du frei…

Das Zeichnen von Vorlagen ist ein Aspekt. Ein anderer wichtiger Aspekt ist für mich ist das Zeichnen aus dem Kopf, also das direkte übertragen meiner Innenwelt auf Papier. Den Stift einfach machen lassen, und schauen was das Unterbewusstsein, und die Intuition ausdrücken will. Darin sehe ich die Möglichkeit kreatives Potential für meine Fotografie frei zu setzen.

Die Zeichnung braucht nicht perfekt oder fotorealistisch zu sein, es genügt wenn sie das ausdrückt was mir im Kopf rumschwebt. Das ich damit eine Emotion rüber bringe ist mir wichtiger als technische Perfektion. Beides ist gar nicht mal so einfach, aber Vielleicht komme ich dem über die Malerei sogar viel näher als mit der Fotografie….

Was verwende ich zum Zeichnen?

Fotografie ist halt insgesamt ein komplexer, hoch technisierter, elektronischer Prozess. Zeichnen ist dagegen absolutes LowTech - sofern man analog bleibt. Vorwiegend zeichne ich mit Bleistift und am liebsten mit Kohle. Die Kohlezeichnungen fixiere ich mit Haarspray oder einem handelsüblichen Fixativ. Ich hab mir einen kleinen Skizzenblock gekauft, zeichne aber auch auf Packpapier. Ein Skizzenbuch dient mir zum festhalten von Ideen.

Wozu ist es nützlich als Fotograf zeichnen zu können?

  • Um flott verschiedene Varianten und Entwürfe für Fotografieprojekte / Moodboardsexternal link anzufertigen.
  • Um auch digital zeichnen zu können, was nützlich für Composing sein kann.
  • Um Licht und Schatten noch besser verstehen und sehen zu lernen.
  • Für Mixed Media Experimente.
  • Um allgemein Gedanken, Stimmungen Ideen fest zu halten und zu Papier zu bringen.
  • Es ist ein Kreativitätswerkzeug.
  • Es regt die Fantasie an, und es ist unmittelbarer und schneller als “Photoshop”.
  • Einfach mal was anderes machen.
  • Super Training fürs Gehirn, und für die Hand/Auge Koordination.

Fazit

Als Fotograf muss man nicht zeichnen können, aber es kann in vielerlei Hinsicht nützlich sein. Ich bleibe auf jeden Fall dran an dem Thema.