Was war was ist was wird

28. Dezember 2016 in Fotografie, Gedankensplitter, Hinter den Kulissen by Carsten Nichte4 Minuten

Was war was ist was wird

Ich hab vor kurzem ein schönes Zitat gefunden das dem Fotografen Paul Strand zugeschrieben wird:

“Deine Fotografie ist für jeden, der wirklich sehen kann, ein Dokument deines Lebens…” - Paul Strand

Der erste Gedanke mag sein: “Theatralischer Nonsens. Ein Foto, ist ein Foto, ist ein Foto. Es beschreibt nicht die Wirklichkeit, es ist nicht wahrhaftig, eine Fiktion, vielleicht sogar eine Lüge. Maximal eine Momentaufnahme.” Was ein Bild in mir als Betrachter auch an Geschichten und Gefühle auslösen mag, der Fotograf des Bildes kann eine ganz andere Geschichte im Kopf gehabt haben - vielleicht auch gar keine - vielleicht wollte er einfach nur ein schönes Bild machen. Eine hochemotionale Fotografie muss in keiner Weise die Situation vor Ort wieder spiegeln. Es kann das Ergebnis eines vollkommen nüchtern, sachlichen Prozesses gewesen sein.

Ich hab mich in den letzten Jahren auch mit dem anfertigen von Portraitskulpturen beschäftigt und dem Zeichnen von Portraits, und tatsächlich zeichnet und formt man ganz intuitiv auch immer einen Teil von sich selbst in das Ergebnis hinein. Ich denke in der Fotografie kann das ähnlich sein.

Standortbestimmung

Ich hatte ja im Frühjahr nach längerem Prozess doch recht spontan meine Kamera zur Seite gelegt, und mit dem Fotografieren auf gehört. Ich hatte den Eindruck nix mehr zu sagen zu haben, war gesättigt. Ich war sprachlos, und jeder der mich kennt weiß: Das will was heissen. :-)

Ich hab die Zeit genutzt, und mir ein Buch aller meiner Arbeiten aus den vergangenen 5 Jahren zusammen gestellt, die mir wichtig erschienen. Das Buch ist im Grunde die Weiterentwicklung meines ersten Buches .  Ich wollte einen Gesamtüberblick haben über alles was über die Jahre entstanden ist, die Dinge ordnen und einordnen, schauen ob, und was diese Fotos für eine Bedeutung für mich haben, statt immer nur weitere Bilder auf den Stapel zu schichten. Fotokonsum im Internet ist etwas vollkommen anderes als ein Buch. Im Grunde sollte es der Abschluss meiner fotografischen Laufbahn werden. Aber letztlich habe ich das wohl als Standortbestimmung gebraucht, um zu sehen wo ich her komme , um dann vielleicht Klarheit zu erlangen, ob und wie ich mit der Fotografie weiter mache. Das Buch ist sehr dick geworden. Es hat die maximal mögliche Seitenzahl erreicht die bei Blurb möglich ist: 229 Fotografien verteilen sich auf erschlagende 237 Seiten.

Fotobuch, Workbook Version 2

Ich hab ein wenig Zeit dafür benötigt um Klarheit zu erlangen, aber wann immer ich jetzt durch dieses Buch blättere erkenne ich, das alle Fotos mit mir verbunden sind. Mit jeder Fotografie verbindet mich eine Geschichte. Zumindest für mich  sind es also nicht einfach nur Aneinanderreihungen von mehr oder weniger gelungenen oder interessanten Fotos, sondern es sind Geschichten, und sie erzählen mir etwas über die Menschen die ich fotografiert habe, sie erzählen etwas über mich, und ich würde ich mich freuen wenn sie auch dem Betrachter etwas erzählen.

Jedes Foto, jede Momentaufnahme, enthält einen Teil von mir, und in Summe bilden sie tatsächlich irgendwo eine Innensicht von mir und meinem Leben - zumindest einige Aspekte davon zu einem bestimmten Zeitpunkt. Deswegen sind die Fotos genau so geworden und nicht anders. Stil und Inhalt haben mich gefunden wenn man so will. Wenn ich daran etwas ändern möchte, dann muss ich mich ändern - oder andere Aspekte von mir in den Vordergrund rücken.

Jedenfalls hat dieses #Fotobuch dazu geführt das sich meine Wahrnehmung für meine Bilder geändert hat. Nicht nur das nächste Foto das ich machen werde ist mir wichtig, sondern auch das was ich die vergangenen Jahre erschaffen hab - jedes einzelne Bild - ist mir wichtig, und darf gerne meine Wertschätzung erfahren.

Reisegedanken

Das Ganze mündete ja bekanntlich darin das ich mich jetzt in der Fotoakademie Köln wieder finde. Ich werde auch im kommenden Jahr noch bewusster weniger fotografieren, und all das was ich jetzt lernen darf einließen lassen, die analoge Fotografie ausbauen, mich noch mehr mit dem Drucken und der Präsentation von Bildern beschäftigen, werde mit alten und neuen Freunden  neue Wege probieren und schauen wohin die Reise geht.

2017 wird rocken :-D stay tuned…

Ps. Eine aktualisierte Version des Projektes gibt bei Blurb: Anderland (Edition Blurb)